Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Immer wieder bekommen wir Fragen wie: “Ab wann bin ich denn ein Arbeiterkind?”, gestellt. Das ist verständlich, in den Medien wird zwar viel über Arbeiterkinder gesprochen, aber der Schritt dahin sich selbst als Arbeiterkind einzustufen ist noch mal was ganz anderes und auch mit gewissen Hemmungen verbunden.

Unser AStA-Referat versucht genau da einzuhaken, in dem es erst einmal einen geschützten Rahmen bietet, in dem man sich offen über das Thema und die eigene Betroffenheit austauschen kann. Als Einstieg in das Thema haben wir hier ein paar Videos sowie oft gestellte Fragen & Antworten zusammengestellt. Aber eins darf nicht vergessen werden, eine Selbstvertetung von Arbeiterkindern, hier in Münster in form des fikuS-Referats, lebt auch von Menschen, die mit ihrer eigenen Betroffenheit offen umgehen und sich engagieren.


In dem nachfolgendem Interview gibt ein bekannter Münsteraner Prof., der sich mit dem Thema schon auf vielfältige Weise beschäftigt hat und mehrere Publikationen dazu veröffentlicht hat, einige Antworten.


Fragen zur Statusgruppe

Was bedeutet das Kürzel fikuS?

Es steht für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende und lehnt sich an den, von dem Soziologen Pierre Bourdieu geschaffenen Begriffen des finanziellen und des kulturellen Kapitals an, die er dazu gebraucht um die herrschenden Verhältnisse zu hinterfragen. Es gibt auch noch weitere Kapitalsorten, die er dazu gebraucht. Die Bezeichnung ist etwas irreführend, aber gemeint sind Arbeiterkinder und Bildungsaufsteiger.

Was versteht man unter einer kulturellen Benachteiligung?

Die herrschenden Gesellschaftsschichten bestimmen, welche Kultur wertvoll ist und welche nicht. Zum Beispiel genießen: Segeln, Reiten, Golf, die französische Sprache oder Theaterstücke eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung als Angeln, Wrestling, Fußball, Türkisch, Graffiti oder Rapmusik. Wer also aus einem kulturell “wertvolleren” Haushalt (Herkunft) kommt, hat es leichter sich im bürgerlich-akademischen Raum fortzubewegen und im Bildungssystem aufzusteigen. Menschen mit Nichtakademikerhintergrund erfahren sogar Diskriminierung und Abwertung ihrer sozialen Herkunft. Sie stehen oft vor dem Zwang, sich anpassen zu müssen.

Was ist Klassismus? Was ist klassistisch?

Klassismus ist neben Rassismus, Sexismus und anderen eine Form von Diskriminierung. Sie meint die Abwertung einer Gesellschaftsschicht bzw. deren angehöriger durch die einer anderen. Meistens wird von ^oben^ nach ^unten^ diskriminiert. Man liest dann oft von den “Asozialen Eltern, die ihren Kindern nicht vorlesen” oder den “faulen Hartz IV Empfängern”. Da sollte man ganz genau prüfen, wer solche Vorwürfe erhebt und welche Schichtzugehörigkeit diese Person hat.

Ab wann gelte ich als Arbeiterkind?

Subjektiv gesehen merkt man als Arbeiterkind, dass die Leute an der Uni sich anders geben, sich anders ausdrücken, sich anders verhalten, eben einen ganz anderen Habitus haben. Viele fühlen sich am falschen Ort und bekommen immer wieder zu spüren, dass sie nicht dazugehören. Objektiv gesehen gibt es in der sozialwissenschaftlichen Forschung einige Indikatoren, die man zurate ziehen kann. Etwa den Bildungsstand der Eltern, das Einkommen, ob Geschwister und andere nahe Verwandte bereits studiert haben, oder wie viele und welche Bücher wie im Elternhaus benutzt werden.

Was ist ein Bildungstrichter?

Der Bildungstrichter ist eine bekannte Grafik aus der Sozialerhebung des Studierendenwerks die besagt, dass aktuell von 100 Akademikerkindern 77 den Weg an die Hochschule schaffen und von 100 Arbeiterkinder, es nur 23 an die Hochschule schaffen. Wie ihr seht, besteht hier ein starkes Ungleichgewicht. Studien wie IGLU, TIMSS, PISA usw. Kommen regelmäßig zu den gleichen Ergebnis. Arbeiterkinder sind im Bildungssystem benachteiligt. 

Fragen zum fikuS-Referat

Macht ihr dasselbe wie der Verein Arbeiterkind.de?

Nein, die bundesweite Organisation Arbeiterkind.de hat sich auf die (Förder)Beratung und die (Studier)Hilfe von Arbeiterkindern spezialisiert. Ein wichtiger Punkt. Und was dort noch nicht geleistet wird, versuchen wir zu ergänzen. Aber darüber hinaus und auch vorrangig sind wir eine politische Vertretung von Arbeiterkindern (autonomes Referat) d. h. wir versuchen aktiv Bildungsbarrieren und benachteiligende Strukturen an der Uni und darüber hinaus zu thematisieren, zu kritisieren und abzubauen.

Wie ist das Referat politisch zu verorten?

Arbeiterkinder sind auch in der (hochschul)Politik unterrepräsentiert und wir lassen uns auch nicht in die gängigen Kategorien wie links, rechts, liberal oder konservativ einteilen. Wir sind eine unabhängige Gruppe die, ähnlich dem autonomen Frauenreferat, die Sicht der Betroffenen in die politische Prozesse einbringt und neue Perspektiven eröffnen möchte. Vom Ansatz und vom Thema her könnte man uns als gewerkschaftsnahe bezeichnen. Strukturell sind wir als autonomes Referat Teil des AStA’s der Uni-Münster.

Ich habe gehört ihr macht nur theoretische Kritik?

Jain, in der Vergangenheit gab es Referent*innen, die ausschließlich theoretische Vorträge und Lesekreise organisiert haben. Das hat zu Unmut in der Statusgruppe ja sogar zu Empörung in der Studierendenschaft geführt. Allerdings hat sich seitdem einiges verändert. So wurde z. B. eine Satzung eingeführt, die genau das verhindern soll. Denn das Referat ist weder Geldautomat noch Veranstaltungsagentur für andere Gruppen, sondern eine unabhängige und eigenständige politische Vertretung von und für Arbeiterkinder!

Wann wurde das FikuS-Referat gegründet?

Das Referat wurde bereits 2003 von einem engagierten Soziologiestudenten gegründet. Es war als direkte Antwort auf den PISA-Schock gedacht und sollte den Klassenkampf aufnehmen. Seit damals durchlief es mehrere Entwicklungsstufen. 2012 kam es zu einem Zwischenfall mit dem Rektorat, was die Autonomie nicht anerkennen wollte. Ein “TAZ”-Artikel drehte die Lage. Mittlerweile wurde die Autonomie vom Rektorat anerkannt. Nun geht es darum, das Referat zu festigen und kontinuierlich weiter voran zu bringen.

Was ist das Dishwasher-Magazin?

Der “Dishwasher” ist ein Magazin, was bereits mehrmals vom FikuS-Referat herausgegeben wurde, es behandelte die Themen des FikuS-Referats und setzte jeweils einen Schwerpunkt. Mittlerweile ist der Dishwasher ein eigenständiges Magazin samt Trägerverein. Es Erscheint i.d.R. zwei mal im Jahr. Mehr erfahrt Ihr auf der Webseite des Magazins: www.dishwasher-magazin.de

Mitmachen und engagieren

Wie kann ich mitmachen und mich einbringen?

In der Regel halten wir neben den Vollversammlungen auch offene Treffen ab, zu denen du kommen kannst. Dort wird z. B. gemeinsam gegessen und diskutiert. Man hilft sich gegenseitig und tauscht Erfahrungen aus. Außerdem schreiben wir häufig Projekte aus, auf die du dich bewerben kannst. Initiativ-Projekte gehen aber auch. Natürlich kannst du auch als Referent*in kandidieren.

Welche Aufgaben hat man als Referent*in?

Als Referent*in bringst du deine Geschichte sowie deine Erfahrungen in den (hochschul)politischen Diskurs ein, um die Interessen von studierenden Arbeiterkindern zu vertreten. Du bist verantwortlich für die Durchführung der Vollversammlungen. Weitere Aufgaben kannst du der Satzung entnehmen. In jedem Fall aber gilt es, das FikuS-Referat und seine Themen voranzubringen. Wenn du interessiert bist, kommst du am besten mal während der Präsenzzeiten oder eines offenen Treffens vorbei und informierst dich persönlich.

Wer kann wählen und wer kann kandidieren?

Wählen und Kandidieren können alle eingeschriebenen Studierenden der Uni Münster die sich selbst als finanziell und kulturell benachteiligt sehen bzw. sich als Arbeiterkind fühlen. Was das genau bedeuten kann, haben wir weiter oben schon beschrieben. Darüber hinaus wird erwartet, dass Personen die kandidieren wollen auf der Vollversammlung offen und ehrlich über ihren eigenen Hintergrund bzw. Ihre Benachteiligung im Bildungssystem sprechen können.

Wie läuft eine Vollversammlung ab?

Zu jeder Vollversammlung wird im Vorhinein eine Tagesordnung veröffentlicht. Die kann sich aber vor Ort noch ändern. Eine Vollversammlung wird immer protokolliert. Die Erfahrung zeigt dass Vollversammlungen, auf denen die Vertreter*innen gewählt werden, besonders nervenaufreibend sein können. Auf rein inhaltlichen Vollversammlungen läuft es in der Regel entspannter ab und es können konkrete Anliegen der Statusgruppe behandelt werden.


Zum Abschluss möchten wir euch noch ein Video präsentieren, das eine Methode zeigt, die im Rahmen von Workshops dazu geeignet ist um gerade solche Benachteiligungen wie man sie im Bildungssystem erfährt, aufzuzeigen und bewusst zu machen. Das Video spielt zwar in den USA, das meiste lässt sich aber auch auf die Verhältnisse hier in Deutschland übertragen.